Wenn Pacing und Hund nicht mehr zusammenpassen

Wenn Pacing und Hund nicht mehr zusammenpassen
Foto: Rönsch - Oskar heute

Jetzt ist das eingetreten, wovor ich mich schon lange gefürchtet habe: Wir sehen keinen anderen Ausweg mehr, als unsere geliebte Fellnase Oskar abzugeben. Wir können einfach nicht mehr! Natürlich wollen wir, dass Oskar einen schönen Lebensabend hat – auch wenn das nicht bei uns sein kann. Bei Freunden und Bekannten haben wir schon nachgefragt, da gibt es keine Möglichkeit. Deshalb haben wir verschiedene Tierschutzorganisationen kontaktiert und um Hilfe gebeten. Doch wie da mit uns umgegangen wurde, war einfach nur schrecklich!

Sein Tier abzugeben ist doch nichts, was man mal eben so nebenbei macht. Wir haben uns schon länger immer wieder mit diesem Thema beschäftigt, weil die Verantwortung für ein Haustier uns in der jetzigen Situation schlichtweg überfordert. Ich schaffe meistens gerade mal so eben einen kurzen Spaziergang von 500m im Schneckentempo. Aber wehe, etwas wie PEM oder ein unvorhergesehenes Ereignis kommt dazwischen und raubt mir die Kraft für den Spaziergang: Dann wird es richtig eng. Denn mein Mann kommt neben Selbstständigkeit und all den Aufgaben, die pflegenden Angehörigen aufgebürdet sind, auch kräftemäßig und gesundheitlich an seine Grenzen.

Was bisher meistens noch gerade so eben funktioniert hat, bringt uns beide, aber vor allem mich, inzwischen jeden Tag weit über unsere Grenzen: Oskar hat von jetzt auf gleich eine schwere Allergie gegen fast alle Nahrungsmittel und Hausstaub entwickelt und sich das Fell blutig gekratzt. Das bedeutet für uns: Häufige Tierarztbesuche, spezielles (am besten selbst gekochtes) Futter, Allergene meiden, Decke aus seinem Körbchen regelmäßig waschen, Teppiche regelmäßig reinigen, tägliche „Missgeschicke“ in Form von Erbrochenem und Urin aufwischen... Obendrauf dann noch wie bei einem Welpen ungefähr alle 3 Stunden mit ihm zum „Beinchen heben“ rausgehen und ihn manchmal sogar die Treppe hinunter und wieder hinauf tragen, weil er es nicht schafft.

Mit eigenem Garten und ebenerdiger Wohnung wäre das vielleicht noch machbar, aber so ist unsere Wohnsituation leider nicht. Und so überlaste ich mich jeden Tag aufs Neue mit den vielen Treppenstufen, die bei zigmal "Beinchen heben" zusammenkommen, und dem Tragen von 20kg Hund. Dass das mit ME/CFS keine Option ist, verstehe ich mit dem Verstand - mein Herz will es aber nicht wahrhaben, dass wir in unserer Situation nicht mehr in der Lage sind, Oskar zu betreuen. Wir schaffen es nicht, 6–8-mal am Tag mit ihm rauszugehen oder alle paar Stunden Hilfe zu organisieren. Uns ist schlichtweg die Kraft ausgegangen und vor lauter Überforderung hat unser beider Gesundheit schon gelitten.

Was man sich in dieser Situation wünscht: Verständnis. Was man bekommt: Vorwürfe, keinerlei Hilfe und ein schlechtes Gewissen. Uns wurde von allen Stellen, an die wir uns gewandt und unsere Situation versucht haben zu erklären, gesagt „Wie, in dem Alter wollen Sie ihren Hund noch loswerden?“ oder „Einen alten, kranken Hund kann man nicht vermitteln“ oder „Wir haben keinen Platz“. Ich sitze da, mir laufen die Tränen über das Gesicht und kann es nicht fassen, dass es für die Situation, in der wir uns befinden anscheinend nur zwei Möglichkeiten geben soll: Einen zwar alten, Allergie und Arthrose  geplagten aber für seine 13,5 Jahre noch einigermaßen fitten Hund einschläfern zu lassen oder ich muss mich schlimmstenfalls so überlasten, dass ich am Ende bettlägerig bin.  

Für mich einfach nur verkehrte Welt: Auf der einen Seite holt der Tierschutz Hunde aus aller Herren Länder, um sie vor den Tötungsstationen zu bewahren. Dann sind die Tierheime hier in Deutschland voll und man kann lässt uns – also sowohl Oskar als auch meinen Mann und mich – komplett im Stich. Ich hoffe sehr dass wir noch eine gute Lösung finden!

Es ist ein schwerer und emotional anstrengender Weg, den wir da gehen müssen und ich würde viel darum geben, ihn nicht gehen zu müssen! Zudem ist es ein weiterer Tribut an ME/CFS. Die Krankheit hat mir doch so schon so viel genommen: Lebensqualität, Spontanität, Reisen, Freunde...Und jetzt auch noch Oskar 😢?!

Update

Wir haben für Oskar ein neues liebvolles Zuhause gefunden, wo er perfekte Bedingungen hat. Ihn loszulassen, war das schmerzvollste, was ich je im Leben tun musste und eine reine Verstandsentscheidung. Und wie sich inzwischen herausgestellt hat nicht nur für mich ein notwendiger Schritt, sondern auch für Oskar: Wir haben ihn in einer Tierklinik gründlich durchchecken lassen.

Dort hat man herausgefunden, dass er neben der schon bekannten Arthrose in der Schulter und den Zehen sie jetzt auch noch im Kreuzbein und in der Lendenwirbelsäule hat. Letzteres drückt auf die Nerven, die die Blase kontrollieren, was das unkontrollierte Wasserlassen erklärt aber nicht zu therapieren ist. Zudem würde es trotz Schmerzmitteln, die er ja schon bekommen hat, mit jedem Tag schwerer und schmerzhafter für ihn unsere Treppen zig mal am Tag zu bewältigen.

Sonst ist er kerngesund und hat noch ein paar Jahre vor sich. Ich weiß, dass er in seinem neuen Zuhause ganz viel Aufmerksamkeit und jede Menge Kuscheleinheiten bekommt, die ihm den Abschied von uns hoffentlich einigermaßen erträglich machen und für ihn noch ein paar schöne Jahre bedeuten. Wir werden noch eine Weile an dem Schmerz zu knabbern haben, wissen aber auch, dass es für alle die richtige Entscheidung war und wir unter diesen Umständen die für alle beste Lösung gefunden haben.

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