Bitte keinen Lärm!

Bitte keinen Lärm!
Bild von StockSnap auf Pixabay

Club-Besuche, Konzerte, Kino, Geburtstags- oder Hochzeitsfeiern, Restaurants und Feuerwerk – all das sind Dinge, die bei mir mit ME/CFS inzwischen nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt machbar sind. Und das vor allem wegen der damit verbundenen Geräuschkulisse. Denn die ist mit dieser Erkrankung meistens nicht nur unerträglich, sondern sie wird manchmal sogar zur Tortur: Mich triggert Lärm innerhalb von Minuten. Mir wird übel, schwindelig und mein Körper fängt an zu zittern. Spätestens dann muss ich sofort aus der Situation hinaus in eine reizarme, sprich sehr ruhige, Umgebung. Muss mein Nervensystem wieder beruhigen.

Wenn das bei einer Freizeitaktivität passiert, ist das „heraus aus der Situation“ kein Problem. Was aber geschieht, wenn der Lärm von der Baustelle vor dem Haus oder schlimmer noch von der Dauerbaustelle innerhalb unseres Hauses kommt? Dann wird „Entkommen“ zu einer richtigen Herausforderung. Natürlich habe ich mit unserem Vermieter, der die beiden anderen Wohnungen im Haus ausbaut, über meine Situation gesprochen. Er zeigt auch sowohl Verständnis als auch ein gewisses Entgegenkommen: Wir haben uns darauf geeinigt, dass er am Nachmittag mindestens eine Stunde Ruhe einhält, morgens nicht vor 9 Uhr anfängt und abends spätestens um 20 Uhr aufhört.

Aber die Stunden dazwischen sind selbst mit Kopfhörern für mich viel zu laut und die Hammerschläge oder Bohrgeräusche gehen durch und durch. Sie tun mir körperlich weh. Schon im gesunden Zustand ist Lärm gesundheitsschädlich. Für ME/CFS-Betroffene dagegen kann er sogar fatale Folgen haben: möglicherweise verschlimmert er den Zustand unwiderruflich. Gar nicht zu reden von den kurzfristigen Auswirkungen wie einem Crash.

Für mich heißt das ganz konkret: Zum einen ist mit Lärm ist kein Pacing, keine Ruhepause möglich. Zum anderen führt das durch den Lärm überreizte Nervensystem bei mir spätestens am übernächsten Tag zu massiven Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen, Fieberschüben, Übelkeit, Schwindel, Schlafstörungen, extremer Erschöpfung und Halsschmerzen. Und jedes Mal hoffe ich, dass das nach ein paar Tagen wieder besser wird.

Denn es besteht immer die Gefahr, dass dieser Crash zum Dauerzustand wird. Man nicht mehr auf das vorherige Level zurück kommt, im schlimmsten Fall sogar bettlägerig wird. Doch egal wie oft man es wiederholt: Ich habe das Gefühl niemand außer uns Betroffenen kann es wirklich nachvollziehen. Meistens starte ich als letzte Möglichkeit noch diesen Erklärungsversuch: Man solle sich vorstellen, man hätte 3 Nächte nicht geschlafen, einen heftigen Kater und der Nachbar mäht den ganzen Tag seinen Rasen. So ungefähr fühlen sich allein schon etwas lautere Geräusche für uns Betroffene an.

Um zumindest stundenweise dem - im wahrsten Sinne des Wortes – nervtötenden Lärm zu entkommen, haben mein Mann und ich immer wieder kleine Ausflüge gemacht. Eine wirkliche Beruhigung für das Nervensystem war das natürlich auch nicht. Aber immerhin nicht ganz so belastend wie der Lärm. Der einzige richtig gute Ausweg ist die Ferienwohnung einer Freundin, in die ich - wenn sie nicht belegt ist - gehen kann, um dem Lärm zumindest stundenweise zu entkommen. Ohne diesen Rückzugsort, für den ich so dankbar bin, weiß ich nicht, was der Baulärm inzwischen mit mir gemacht hätte.

Wie ist das bei Euch? Wie kommt Ihr mit Lärm klar? Versteht Euer Umfeld Eure Geräuschempfindlichkeit?


Ich habe für Euch ein Infoblatt erstellt, das Ihr Angehörigen, Freunden, Bekannten etc. geben könnt, um sie über die Auswirkungen, die Lärm auf uns ME/CFS-Betroffene hat, zu informieren. Das Infoblatt darf gerne geteilt werden!


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