Bin ich krank noch etwas wert?
Diese Frage habe ich mir mehr als einmal in den vergangenen Jahren gestellt. Immer dann, wenn andere meine Aufgaben erledigen müssen, während ich pacend auf dem Sofa sitze. Wenn „Freunde“ sich von mir abwenden, weil ich bei jeder Geburtstagsfeier, jeder Party passen muss oder weil ich nicht mehr „gesund spiele“. Wenn mein Mann gerne mit mir seine Gedanken austauschen will und ich dafür einfach keine Energie habe.
Aber woran misst sich denn eigentlich der Wert eines Menschen? Bevor ich krank wurde, habe ich meinen Wert vornehmlich in dem gesehen, was ich für andere getan oder geleistet habe. Habe mich eigentlich nur mit dem identifiziert, wofür ich Anerkennung bekommen habe: Für Leistung. Im Job, in der Familie, bei Freunden. Ich war glücklich, wenn es den anderen in meinem Umfeld gut ging, wenn ich etwas geben konnte.
Heute sieht das Bild ja ganz anders aus: Durch ME/CFS bin ich diejenige, die fast nur nimmt. Gefühlt viel zu selten einmal, dass ich etwas geben kann. Da kommt dann schon auch mal der Gedanke, nutzlos zu sein. Die Frage, ob ich für mein Umfeld noch etwas wert bin, wenn ich – vermeintlich - nichts mehr geben kann. Da stellt sich die Frage: Warum fällt es jemandem der krank ist so schwer, zu glauben, dass auch ein kranker Mensch wertvoll ist? Vielleicht weil man das Gefühl hat, nur noch Belastung zu sein. Angst hat, verlassen, nicht mehr geliebt zu werden.
Mitten in so einem düsteren Moment hat eine einzige Frage wieder sehr viel Licht in mein Leben gebracht: „Ist ein Baby auch nichts wert, weil es ja nichts „leistet“, sondern nur Arbeit macht?“. Die Antwort darauf ist für jeden sofort klar: Ein Baby ist wertvoll und wird geliebt, einfach, weil es da ist!
Mir sind dann doch noch so viele kleine und große Dinge eingefallen, die ich, auch wenn ich krank bin, geben kann: Die Liebe für meine Familie, die Umarmung für meine Enkel, der Trost für eine Freundin, Zuhören und so weiter. Da gibt es so viele Dinge, die ich Tag für Tag so selbstverständlich tue, deren Wert ich aber oft gar nicht sehe. Weil ich mich immer noch viel zu oft mit der Tanja von früher vergleiche.
Je mehr ich aber den Gedanken zulasse, dass ich schon genug bin, einfach weil ich da bin, desto weniger hat der Gedanke Platz, nichts wert zu sein, weil ich krank bin. Heute zolle ich mir selbst Anerkennung für mein konsequentes Pacing, für jeden Tag, an dem es mir einigermaßen gut geht.
Und trotzdem fühlt es sich immer noch ein bisschen komisch an, dabei zuzusehen, wie andere putzen, kochen, backen oder Unkraut zupfen. Aber es hat heute weniger mit gefühlter Nutzlosigkeit oder Wertlosigkeit zu tun, sondern vielmehr mit dem Gedanken „Ich möchte es eigentlich selber machen – und dafür pace ich, was das Zeug hält!“. (Wobei es wirklich schon grotesk ist: Hätte mir von ein paar Jahren jemand gesagt, dass ich mich mal danach sehnen werde, Hausarbeit zu machen, den hätte ich glatt ausgelacht🤣!)
Wie ist das bei Euch? Welche Anker habt Ihr in düsteren Momenten? Wie geht es Euch, wenn andere Eure Aufgaben erledigen (müssen)?
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