Hilfe kann auch eine Belastung sein
Ob in einer akuten Situation oder unter „normalen Umständen“ - um Hilfe zu bitten und diese anzunehmen, ist und war der größte Brocken den ich schlucken musste. Auch wenn es mir inzwischen leichter fällt, so ganz ohne ist es noch immer nicht. Ich ertappe mich auch heute noch oft genug, dass ich zuerst denke: „Ach komm, das machst Du mal eben selber, da musst Du niemanden fragen“. Aber meistens schaffe ich es dann doch noch über meinen Schatten zu springen. Denn eines habe ich inzwischen kapiert: Es ist ein Zeichen von Stärke, sich einzugestehen, dass man etwas nicht (mehr) alleine schafft, kein Zeichen von Schwäche!
Doch was passiert, wenn der Partner nicht mehr alles auffangen kann und Hilfe von außen benötigt wird? Dann heißt es mit ME/CFS sehr gut abwägen zwischen wirklicher Unterstützung und zusätzlicher Belastung!
Eines ist vielen Außenstehenden gar nicht bewusst: Die meisten Betroffenen und ihre Angehörigen haben, genau wie mein Mann und ich, ihre eigenen Routinen entwickelt. Wir haben uns zum Beispiel im täglichen Leben an meine Geräuschempfindlichkeit angepasst: Wir reden relativ leise, der Fernseher ist selten an und wenn dann sehr leise. Beim Tischabräumen achten wir sehr darauf, dass Geschirr und Besteck nicht laut klappern und Türen werden bewusst leise geschlossen. Kurz gesagt, wir beachten all die „Kleinigkeiten“, die für ME/CFS-Betroffene und deren unmittelbares Umfeld selbstverständlich geworden sind.
Und was ist, wenn in der akuten Situation jemand aus dem Familien- oder Freundeskreis helfen will? Dann muss klar sein, dass die internen Regeln und Routinen natürlich auch für diejenigen gelten, die unterstützen. Doch wenn man nicht täglich mit den Auswirkungen dieser Krankheit konfrontiert ist, denkt man einfach nicht daran, dass allein schon die Anwesenheit einer anderen Person in der Wohnung für uns Betroffene ein Stressor sein kann.
Dann kommen ja noch die zusätzlichen Gespräche dazu, die man ja unweigerlich führt bzw. führen muss. Und on top noch die Unachtsamkeit in Punkto Geräuschpegel beim Reden, beim Tischdecken oder -abräumen, oder das Türen knallen wegen Durchzug. Alles weitere Stressoren, die nicht beabsichtigt sind und einem gesunden Menschen gar nicht auffallen.
Zusätzlich zu diesem Stress merke ich in einer solchen Situationen auch immer wieder, wie schwer das Gefühl auszuhalten ist, sich nutzlos und überflüssig zu fühlen. Und dann kommt es schon mal vor, dass mich so eine Stimmung mal teils depressiv und teils leicht aggressiv macht. Was nicht gerade förderlich für die Harmonie ist und es für alle Beteiligten nicht gerade einfacher macht.
So kann ganz schnell aus gut gemeinter Unterstützung eine ziemliche Belastung werden. Ist man dann undankbar, wenn man diese Hilfe ablehnt oder früher als besprochen beendet? Ich glaube, auch hier greift das Pacing: Alles, was Energie gibt ist gut und wichtig, bei allem was Energie kostet muss abgewogen werden zwischen „unbedingt notwendig“ oder „kann zur Not auch drauf verzichtet werden“. Auch wenn es schwer ist, die eigenen Bedürfnisse offen und ehrlich zu kommunizieren: Nur so können alle Beteiligten lernen und es bestenfalls beim nächsten Mal besser machen.
Wie ist das bei Euch? Kennt das auch, dass Hilfe eher Belastung als Unterstützung ist? Wie ehrlich geht Ihr damit um?
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