Apps, Features oder die eigene Körperwahrnehmung?

Apps, Features oder die eigene Körperwahrnehmung?
Photo by Nick Page / Unsplash

Worauf vertraue ich eigentlich beim Pacing? Wie oder besser womit „bestimme“ ich, wie es mir heute geht, um den Tag, der vor mir liegt, planen zu können? Mittels Morning-Score in der Visible-App oder der Trendanalyse der App blue-ME? Anhand der Features der Smartwatch? Oder höre ich doch lieber auf das eigene Körpergefühl? Gerade die Anfangszeit nach der Diagnose war für mich voller Unsicherheiten: Ich habe mich gut gefühlt und bin doch am nächsten Tag gecrasht, weil die Körperwahrnehmung noch nicht wirklich auf ME/CFS trainiert war. Weil mir die zeitverzögerte Reaktion auf Überlastung namens PEM noch nicht bewusst war. Weil ich mich noch nicht ausführlich genug mit Pacing auseinandergesetzt hatte. Die Frage wieviel Energie mich welche Aktivität kostet noch nicht beatwortet und meine Baseline noch nicht ermittelt war.

Es gibt ja nette Helferlein!

Dann entdeckte ich ein paar nette „Helferlein“: Ich fing an, die Visible-App zu nutzen. Zudem spielten einige Features meiner Smartwatch wie Bodybattery, Schlaftracking, Puls- und HRV-Messung eine immer größere Rolle. Doch wie sehr kann man sich auf diese Anzeigen verlassen? Spiegeln sie wirklich wider, wie es mir gerade geht? Mein erster Irrglaube war, dass Visible genau das tut, nämlich anzuzeigen wie es mir geht. Oft genug habe ich mich deshalb morgens gefragt, warum da eine 4 beim Morning-Score steht, es mir aber eher lausig ging. Bis ich begriffen habe, dass dieser Wert einschätzen soll, wie gut ich gepaced habe und nicht wie es mir gerade geht.

Puls ist guter Richtwert

Auch die Features der Smartwatch sollten mir dabei helfen ein genaues Bild vom Zustand meines Körpers zu bekommen. Doch auch hier das gleiche Bild: Fühle ich mich gut, zeigt mir die Bodybattery mit dem Wert 5 an, dass meine Batterie komplett leer ist. Geht es mir nach einer schlaflosen oder schmerzgeplagten Nacht echt mies, wird mir oft genug mit einem Wert zwischen 30 und 70 angezeigt, dass mein Körper gut regeneriert haben soll. Also weiß ich für mich, dass das Werte sind, auf die ich meine Tagesplanung besser nicht aufbauen sollte. Einzig die Pulsmessung ist für mich zu einem guten Richtwert geworden. Deshalb achte ich darauf, dass er möglichst nicht oder nur ganz kurz meinen individuellen Höchstwert überschreitet.

Vergleiche ich dann noch die Anzeigen von Smartwatch und Visible ist die Verwirrung vorprogrammiert, denn da passen die angezeigten Werte meistens so gar nicht zusammen. Nur in einem stimmen die Geräte überein: Bei einer Infektion gehen die Stresswerte durch die Decke und die Bodybattery ist auf leer. Bei Visible ist dann das gleiche Bild: Morning-Score auf 1. Was dann heißt: Ausruhen, Ausruhen und nochmal Ausruhen! Aber das versteht sich bei einer Infektion ja sowieso von selbst!

Neue Pacing-App

Vor einigen Wochen wurde ich dann auf einen Aufruf aufmerksam, bei dem Testnutzer für eine neu entwickelte Pacing-App namens „blue-ME“ gesucht wurden. Laut Homepage der Gründer ist das „Hauptaugenmerk der App das Thema ‚Pacing‘, welches für viele Betroffene mit chronischen Erkrankungen ein äußerst wichtiges Instrument ist, um den Alltag im Rahmen, der noch vorhandenen Möglichkeiten zu gestalten. Das digitale Symptomtagebuch hilft dabei den Überblick zu behalten und lässt idealerweise Zusammenhänge zwischen Aktivitäten und Erschöpfung erkennen“. Das machte mich so neugierig, dass ich mich bei Paul und Line meldete, die App nun ausprobiere und schon nach kurzer Nutzungs-Zeit richtig begeistert bin. Vor allem die Trendanalyse gefällt mir sehr gut, denn sie visualisiert mir ganz genau, wenn ich mich auf dem falschen Pfad bewege und zu viel mache. Zudem ist die Bedienung sehr einfach und es gibt viele wichtige Informationen in der App.

Körperwahrnehmung wichtigstes Werkzeug  

Inzwischen weiß ich all die Apps und Features richtig zu deuten und nehme sie meist nur noch als ungefähren Richtwert. Worauf ich mich inzwischen einigermaßen gut verlassen kann, ist meine eigene Körperwahrnehmung. Und die ist für mich - neben dem Puls und inzwischen auch der Trendanalyse - das eigentliche Maß der Dinge. Denn sie gibt mir doch meist den richtigen Hinweis: Ich spiele in Gedanken die für den Tag anstehenden Aktivitäten durch und achte auf die Rückmeldung meines Körpers. Fühlt es sich wirklich gut an, heute Besuch zu bekommen oder wie vereinbart mit meiner Tante zu telefonieren? Oder kommt da ein schlechtes Gefühl, eine plötzliche starke Zunahme der Müdigkeit oder das Gefühl keine Luft zu bekommen?

Die Kenntnis meiner Baseline, aber auch die Signale meines Körpers sind meine Gradmesser, an denen ich festmache, ob eine geplante Aktivität auch wirklich umgesetzt oder doch lieber verschoben wird. Auch während des Tages horche ich immer wieder in mich hinein und reagiere entsprechend. Und vergesse hoffentlich nicht, dabei immer die Adrenalinfalle im Hinterkopf zu haben und in das Körpergefühl mit einzubeziehen!

Wie ist das bei Euch? Nutzt Ihr Apps und Features von Smartwatches für Euer Pacing?

Mehr Informationen zur blue-ME-App findet Ihr hier.

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