Die zwei Seiten des Sommers

Die zwei Seiten des Sommers
Foto: Rönsch

Was habe ich früher darauf gewartet, dass es endlich Sommer wird! Endlich Sonne satt, Temperaturen über 30 Grad, die zum Baden im See oder Schwimmbad einladen. Wieder die Sonne auf der Haut spüren, Grillparty, Biergarten und in der Eisdiele um die Ecke ein leckeres Eis! Im Restaurant draußen sitzen und einfach das Urlaubs-Gefühl - das bei sommerlichem Wetter unweigerlich aufkommt - genießen.

Doch das ist längst Vergangenheit! Heute fürchte ich mich eher vor Sommertagen. Da bei ME/CFS die Temperaturanpassung nicht mehr so richtig funktioniert, sind Tage an denen allein schon die 25-Grad-Marke überschritten wird, eine Qual für mich. Draußen kollabiere ich fast und drinnen friere ich und sitze mit der Wolldecke im Sessel.

Aber das ist nicht das Einzige, was den Sommer für mich so unerträglich macht: Ohne Klimaanlage heizen sich die Räume tagsüber so sehr auf, dass man nachts vor Hitze nur schwer in den Schlaf findet und es ist so stickig, dass man kaum Luft bekommt. Macht man das Fenster auf, hört man den übenden Posaunenchor und das schreiende Baby von gegenüber, den röhrenden Auspuff eines Sportwagens direkt unter dem Fenster, ach ja und dann sind da noch die Kirchenglocken, die alle 15 Minuten mehr oder weniger lange läuten. Und als ob das nicht schon reicht, hört und riecht man die Nachbarn, die ihren Grillabend genießen. Kurzum, draußen tobt das normale pralle Sommer-Leben.

Na klar, macht man halt das Fenster zu oder nimmt Ohrenstöpsel. Doch dann kommt ja auch noch die Helligkeit dazu, schließlich geht die Sonne ja erst spät unter und die Dämmerung beginnt bereits um 4 Uhr morgens. Also in Ermangelung einer Jalousie noch die Schlafbrille aufgezogen. Ist ja noch nicht muckelig genug! Während ich also todmüde und in voller Montur schwitzend abends um halb neun versuche, zu schlafen, geht der Sommerabend für die anderen gerade erst los. Ich will nur noch schlafen und zucke doch bei jedem Geräusch zusammen. Und der Schlaf wird irgendwann vom Adrenalin verdrängt. Also schlafe ich meist erst weit nach Mitternacht ein und werde sehr früh wieder wach. Ich schleppe mich durch die Tage und versuche, irgendwie den Schlaf nachzuholen, in der Hoffnung nicht zu crashen.

Was den Sommer für mich zudem schwierig macht, sind natürlich auch die Wassereinlagerungen durch das Lymphödem, die mich an manchen Tagen schier zur Verzweiflung bringen. Die Beine spannen extrem und das Einzige, was den Menschen dazu einfällt ist: "Na ja, du musst dich halt mehr bewegen!" 😫
Würde ich liebend gerne tun! Genau wie ins Schwimmbad gehen, eine Fahrradtour machen und mit Freunden eine Grillparty feiern. An manchen Tagen ist die Sehnsucht mal wieder schwimmen zu gehen, sogar so groß, dass ich darüber nachdenke, es einfach zu probieren.

Aber schon bei der Überlegung, welche Sachen ich einpacken muss, merke ich, dass es utopisch ist: Badesachen anziehen, Handtuch, Wäsche zum Wechseln, Sonnencreme etc. zusammenpacken, zum Schwimmbad hinfahren (bzw. gefahren werden), vom Auto zum Eingang laufen, evtl. am Eingang Schlage stehen, Eintritt zahlen, einen Liegeplatz suchen, ausziehen, Decke/Handtuch auslegen, eincremen. Das allein würde mein Energie-Budget schon fast ausreizen und ich wäre noch nicht mal im Wasser gewesen. Von den anderen Badegästen, die ihre Freude laut herauslassen und was noch alles dazu kommen würde, wollen wir gar nicht reden.  

Also hole ich mir als minimalen Ersatz das Fußwännchen auf den Balkon und stelle meine Füße in kaltes Wasser. Für ein paar Minuten - denn die Enkelkinder der Nachbarin sind zu Besuch und haben hörbar Freude an ihrem Spiel😧.  

Wie schön waren die Sommer doch, als man sie noch in vollen Zügen genießen konnte! Und auch, wenn ich die anderen Menschen, die Freude am Sommer haben, ein wenig beneide, so versuche ich das Beste aus der Situation zu machen: Ich sitze am offenen Fenster mit Kopfhörern auf dem Kopf in meinem Sessel, der Ventilator läuft flüsterleise, ich mache die Augen zu und träume mich an einen Strand, höre die Wellen (leise 😉) rauschen und stelle mir vor, ich gehe durch den Sand ins kühle Wasser…..

Wie empfindet Ihr den Sommer? Was findet Ihr gut, was stört Euch?

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