Was Du nicht siehst – Gedanken und Song zum Severe ME Awareness Day

Was Du nicht siehst – Gedanken und Song zum Severe ME Awareness Day
Coverbild „Unsichtbar“ KI generiert

Heute ist Severe ME Awareness Day. Ein Tag für diejenigen, die man nicht sieht – weil selbst das schwächste Licht, der leiseste Ton, der kleinste Reiz zu viel ist. Für Menschen, die in völliger Reizabschirmung leben. In dunklen Zimmern, oft bewegungslos. Manche können nicht sprechen, nicht essen, sich nicht selbst versorgen. Manche können nicht einmal mehr die Augen öffnen.

Ich schreibe diesen Beitrag nicht aus dem Bett, sondern am Schreibtisch. Ich kann mir etwas zu essen machen, zur Toilette gehen. Ich kann schreiben – in Etappen. Und trotzdem weiß ich: Es könnte auch anders sein. Denn ME/CFS hat Tiefen, die man sich kaum vorstellen kann. Und manchmal spüre ich sie, wenn ich zu viel will. Wenn ich nicht aufpasse und früh genug stoppe. Wenn plötzlich gar nichts mehr geht. Dann frage ich mich: Was, wenn ich nicht mehr zurückkomme?

Severe ME ist grausam

Diese Angst ist da. Nicht, weil ich „nicht stark genug“ wäre. Sondern weil diese Krankheit mit Stärke nichts zu tun hat. Bei Severe ME geht es nicht um Willenskraft. Es ist nicht einfach ein „mehr“ von dem, was ich als moderat Betroffene erlebe – es ist ein komplett anderer Zustand. Furchterregend. Grausam.

Ich jongliere täglich mit meiner Energie. Ich versuche, gut zu pacen. Ich plane Pausen, achte auf Signale, stoppe bewusst. Aber selbst das reicht nicht immer. Dann kommt der Crash – ein Zustand, in dem kaum noch etwas möglich ist. Für schwer Betroffene ist dieser Zustand allerdings ein Dauerzustand. Kein „Rückschlag“, sondern Alltag.

Ich denke an alle, die vergessen wurden

Viele von ihnen haben keine Stimme mehr – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Sie werden nicht gesehen, nicht gehört, nicht versorgt. Einige erhalten nicht einmal grundlegende medizinische Hilfe. Manche von ihnen entscheiden, nicht mehr weiterzuleben. Weil das Leid zu groß wurde – und weil es keine Perspektive mehr gab.

Das ist schwer zu schreiben. Aber noch schwerer wäre es, zu schweigen. Ich denke an sie. An alle, die vergessen wurden. An diejenigen, für die Pacing nicht bedeutet, den Alltag achtsam zu gestalten – sondern: heute keine Bewegung. Kein Licht. Keine Stimme. Nur Überleben. Und ich frage mich: Was kann ich tun? Was können wir tun?

Hinschauen. Zuhören. Erinnern

Vielleicht ist es genau das: Hinschauen. Zuhören. Erinnern. Und klar benennen, was fehlt: Es gibt Forschung – aber sie ist viel zu gering finanziert. Es gibt weit über eine halbe Million Betroffene – aber kaum Strukturen, die sie auffangen. Es gibt Wissen – aber zu wenig Wille, es in Versorgung zu überführen. Es gibt Medikamente, die einige Symptome lindern können – aber kaum ein Arzt verschreibt sie. Und wenn doch dann müssen sie aus eigener Tasche bezahlt werden, da es auch 2025 für ME/CFS kein einziges zugelassenes Medikament, keine Therapie gibt.

Solange ME/CFS nicht ernsthaft und angemessen finanziert erforscht wird, werden Menschen weiter leiden. Weiter verschwinden. Weiter sterben. Nicht an der Krankheit allein – sondern an der Ignoranz drumherum.

Ich schreibe diesen Beitrag, um sichtbar zu machen, was verborgen bleibt. Auch meine eigene Angst darf hier Platz haben. Nicht als Klage – sondern als Teil der Realität dieser Erkrankung.


P.S.:
In den letzten Wochen ist auch ein Lied entstanden.
„Unsichtbar“.
Ein Song für die, die nicht mehr gesehen werden.

Der Song entstand mit Unterstützung von meinem Sohn und von KI. Die Worte und das Gefühl darin gehören mir.
Wenn Du ihn magst, teile ihn auch auf YouTube💙

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🎵 UNSICHTBAR – ein Song über das, was man nicht sieht. Zum Severe ME Awareness Day.

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