Ein Schritt in die richtige Richtung – und die stille Hoffnung, dass mehr folgen
Endlich gibt es ein offizielles SOP-Dokument für den Rettungsdienst – speziell für ME/CFS-Betroffene. Herausgegeben in Rheinland-Pfalz und verfasst von Dr. Dennis Ritter. Einem leitenden Notfallmediziner, der offensichtlich verstanden hat, worum es geht: darum, Leben nicht nur zu retten – sondern zu schützen.
Als ich die Seiten las, kamen mir die Tränen. Nicht nur, weil es richtig und wichtig ist – sondern weil es so lange gefehlt hat. Schonendes Vorgehen. Reizvermeidung. Kommunikation über Angehörige. Kein Blaulicht, keine abrupten Bewegungen, keine ungeprüften Medikamente. Es klingt so selbstverständlich – und doch ist es für uns Betroffene fast zu schön, um wahr zu sein.
Die Realität sieht oft anders aus
Letztes Jahr hatte ich in meiner Heimatregion den Eindruck, dass beim Rettungsdienst niemand wusste, was ME/CFS ist. Keine Struktur, keine Vorbereitung. Und: keine Ahnung, wie gefährlich ein falsch durchgeführter Transport sein kann. Ein Notfall? Ja. Aber keiner, auf den man vorbereitet war. Es gab damals keine entsprechende Richtlinie. Und genau deshalb habe ich mich gefragt: Ist das inzwischen anders?
Ich habe recherchiert. Gegoogelt, gesucht, nachgefragt. Ergebnis: Bislang ist nur diese eine SOP aus Rheinland-Pfalz öffentlich auffindbar. Keine vergleichbare Transport-Richtlinie in anderen Bundesländern, keine öffentlich zugängliche Struktur, die spezifisch auf die Bedürfnisse von ME/CFS-Betroffenen im Rettungsdienst eingeht.
Unsicherheit ist potenziell gefährlich
Heißt das, dass es in anderen Bundesländern nichts gibt? Nein, nicht zwingend. Möglicherweise existieren dort interne Anweisungen – aber sie sind nicht sichtbar, nicht auffindbar, nicht transparent. Und genau das ist das Problem: Solange solche Richtlinien nicht öffentlich dokumentiert sind, bleibt alles dem Zufall überlassen. Ob jemand weiß, was PEM ist. Ob das Blaulicht ausgeschaltet wird. Ob eine Umlagerung wirklich schonend erfolgt. Ob Medikamente angepasst oder einfach nach Schema F verabreicht werden.
Diese Unsicherheit ist nicht nur beängstigend – sie ist potenziell gefährlich. Denn ein Transport ist für schwer an ME/CFS Erkrankte keine logistische Herausforderung. Es ist ein medizinischer Ernstfall. Und jeder Fehler, jeder Reiz zu viel, jede schlecht geplante Maßnahme kann zu einem Crash führen, der Tage, Wochen, Monate – manchmal ein Leben lang – nicht mehr rückgängig zu machen ist.
Ermutigende Nachricht von Pascal Hillgruber
Umso größer ist die Hoffnung, dass dieses Dokument aus Rheinland-Pfalz kein Einzelfall bleibt. Dass andere Bundesländer nachziehen. Dass Rettungskräfte nicht nur in städtischen Kliniken, sondern auch in kleinen Orten, auf dem Land, bei freiwilligen Wachen verstehen, was die schwere Multisystemerkrankung ME/CFS bedeutet – und wie viel Fingerspitzengefühl im Einsatz gefordert ist.
Eine besonders ermutigende Nachricht kam von Pascal Hillgruber – ehemaliger NDR-Moderator, selbst an ME/CFS erkrankt und Host eines Aufklärungspodcasts. Nachdem sich eine Notfallsanitäterin auf Instagram an ihn gewandt hatte, um zu erfahren, worauf man beim Transport von ME/CFS-Betroffenen achten muss, leitete er die rheinland-pfälzischen Unterlagen an die ärztliche Leitung der Berufsfeuerwehr weiter. Das Ergebnis: geplante eigene Leitlinien und Schulungen sowie eine Vernetzung mit PiEr Schleswig-Holstein (ehemals Nicht Genesen), um gemeinsam größere Modelle zu entwickeln. Solche Initiativen zeigen: Rheinland-Pfalz darf nur der Anfang sein – und wenn Rettungsdienste voneinander lernen, kann aus einem Leuchtturm ein Netz werden.
Es darf nicht bei einem Leuchtturm bleiben
Denn klar ist: Auch wenn ME/CFS mittlerweile häufiger thematisiert wird, sind wir noch lange nicht dort, wo wir sein müssen. Denn so wichtig ein schonender Transport ist – er reicht allein nicht aus: Was nützt es, wenn Rettungskräfte umsichtig arbeiten, das Krankenhaus aber keine Ahnung von ME/CFS hat?
Es darf nicht bei einem Leuchtturm bleiben. Wir brauchen ein durchgängiges Netz an Wissen und Strukturen – vom Rettungswagen bis ins Krankenhaus. Nur so entsteht echte Sicherheit für Betroffene. Rheinland-Pfalz hat den Anfang gemacht. Und dafür bin ich zutiefst dankbar. Aber dieser Anfang darf nicht das Ende sein. Denn da draußen, hinter dunklen Vorhängen, liegen Menschen, die nicht schreien können. Die nicht rufen können. Die darauf hoffen, dass Hilfe nicht nur kommt, sondern wirklich hilft und nicht schadet.
Wegen ME/CFS allein würden die meisten von uns vermutlich keinen Rettungswagen rufen. Aber wir sind nicht davor geschützt, dass etwas anderes passiert: ein plötzlicher Kreislaufkollaps, eine schwere Infektion oder Herzprobleme. In solchen Momenten bleibt nur der Notruf. Und genau dann ist es entscheidend, dass die Rettungskräfte wissen, wie sie mit ME/CFS umgehen müssen – damit Hilfe nicht ungewollt zur zusätzlichen Gefahr wird.
Bitte: Lasst es nicht bei Hoffnung bleiben. Lasst es Realität werden. Überall.
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