Du siehst gar nicht krank aus!
Das ist einer der Sätze von Ärzten oder dem persönlichen Umfeld, den ich immer wieder höre, und der mich wütend und traurig zugleich macht. Weil ich mich unverstanden und an manchen guten Tagen gar wie eine Hochstaplerin fühle. Mit ME/CFS sieht man aber nun mal nicht unbedingt immer krank aus, sondern einfach „normal“.
Wagt man es dann noch, sich womöglich ein bisschen zu schminken, glaubt einem womöglich erst recht niemand, dass man krank ist. Das sind meine Gedanken, wenn ich an Tagen, an denen es mir einigermaßen gut geht, vorm Spiegel stehe und einfach Lust habe, eine getönte Tagescreme und ein bisschen Wimperntusche zu benutzen (zu viel sollte ja auch nicht sein, weil das Abschminken am Abend eine zusätzliche Aktivität ist, die Energie kostet und eingeplant werden muss). Aber „darf“ ich das wirklich?
Die Erfahrung hat mir gezeigt, wenn ich „nicht krank aussehe“ oder ich sage, dass es mir heute gut geht, wird sofort davon ausgegangen, ah jetzt ist sie wieder gesund! Nein! Ich habe einfach einen guten Tag! Und ich möchte nicht jedes mal aufs Neue erklären, dass solche guten Tage durch striktes Pacing wirklich hart erarbeitet sind. Konkret heißt das für ME/CFS-Betroffene: Man ist für einen längeren Zeitraum konsequent unter seiner Belastungsgrenze, der sogenannten Baseline, geblieben. Wo diese Baseline genau ist, ist allerdings bei jedem/jeder und jeden Tag anders. Das macht es richtig schwer und es braucht ein gutes Körpergefühl, Disziplin und Durchhaltevermögen.
Letztens war ich in der Praxis meines behandelnden Arztes um ein Rezept abzuholen. Mir ging es an dem Tag ganz gut und ich hatte mich ein bisschen „zurecht gemacht“. Die Sonne schien und ich fühlte mich nach langen Wochen des Crashs durch den Umzug endlich mal wieder attraktiv. Der Arzt kam kurz in den Rezeptionsbereich und schaute mich mit einem Blick an, den ich als erstaunt deutete. Sofort schoss mir durch den Kopf: Der denkt bestimmt, ich simuliere nur. Natürlich entspricht das nicht der Realität. Aber warum denke ich so? Weil ME/CFS an sich schon stigmatisiert wird und die Betroffenen halt nicht immer krank aussehen.
Aber mal ehrlich: Würde so etwas auch jemand zu einem krebskranken Menschen sagen? Oder an dessen Kranksein zweifeln, wenn ein von MS betroffener Mensch „gar nicht krank“ aussieht? Ich frage mich immer wieder, warum dann bei uns ME/CFS Betroffenen? Sind wir nicht schon genug geschlagen mit der Erkrankung an sich? Mit nachgewiesen weniger Lebensqualität als mit Krebs oder MS?
Ich möchte einen Apell an uns Betroffene richten: Wir sollten weder uns selbst anzweifeln, noch von anderen angezweifelt werden! Im Gegenteil, man sollte uns feiern, wie tapfere Krieger!
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