blue-ME: Neue Pacing-App mit großem Potenzial

Bisher waren es schwierige und manchmal auch gefährliche Mountainbike-Abenteuer inklusive zweimaliger Alpenüberquerung, die das Leben von Line und Paul bunt gemacht haben. Nach einer Covid-Infektion vor einem Jahr, von der sich Line nie wieder erholt hat, war nichts mehr wie vorher. Doch die beiden lassen sich nicht unterkriegen und gehen neue Wege. Was das sympathische Ehepaar dazu bewegt hat, die kürzlich neu erschienene Pacing-App „blue-ME“ als gemeinsames Projekt zu entwickeln, haben mir die beiden in einem bewegenden Interview erzählt:
Tanjas Pacing-Blog: Die Entwicklung der App ist durch ME/CFS ein Ersatz für Eure früheren Mountainbike-Abenteuer. Wie anders ist dieses „Abenteuer“? Wie geht Ihr zusätzlich zu der gewaltigen Aufgabe der App-Entwicklung mit den Herausforderungen der Krankheit ME/CFS um?
Paul: Wir sind ein verdammt gutes Team und haben gemeinsam schon eine ganze Reihe schwierige und teils gefährliche Abenteuer gemeistert. Nicht zuletzt unsere beiden Alpen-Überquerungen mit dem Mountainbike haben uns noch mehr zusammengeschweißt. Die Herausforderung, vor der wir jetzt stehen, ist natürlich ganz anderer Art, denn im Gegensatz zu unseren Mountainbike-Touren wissen wir jetzt nicht, wann wir „über den Berg sind“. Daher müssen wir jeden Tag gegen die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit ankämpfen, um den Optimismus nicht zu verlieren.
Line: Die gemeinsame Arbeit an blue-ME tut mir gut. Sie kann mir zwar die Sehnsucht nach meinem alten Leben, nach der Bewegung und den Glücksmomenten nicht nehmen, aber gemeinsam etwas aufzubauen und das im eigenen Tempo tun zu können, das ist etwas sehr Befriedigendes für uns beide.
Tanjas Pacing-Blog: Was hat den letzten Anstoß dazu gegeben die App „blue-ME“ zu entwickeln? Gab es – abgesehen von Lines Gesundheitszustand - eine besondere Situation, in der Ihr beschlossen habt „Jetzt entwickeln wir eine App“?
Line: Bei unseren vielen verzweifelten Versuchen, an meiner Situation etwas zu ändern, sind wir immer wieder bei dem Thema Pacing gelandet. Um meine Belastungen und Symptome zu tracken, habe ich jeden Tag auf meinem iPad eine manuelle graphische Statistik geführt. Nach einem meiner unzähligen Crashes habe ich mir meine gemalte Statistik angesehen und zu Paul gesagt: „Das ist alles so kompliziert und so unglaublich zeit- und kraftraubend mit meinen Statistiken. Irgendwie kann ich auch gar keine Zusammenhänge erkennen“. Daraufhin meinte er: „Du brauchst eine App, um die Zusammenhänge genauer analysieren zu können“. Ich habe daraufhin einige englischsprachige Apps ausprobiert, jedoch ist es mir immer schwergefallen, Erkenntnisse aus den Daten zu ziehen, weil die aufgezeichneten Angaben oft nur einen Teilaspekt abgebildet haben. So haben wir kurzerhand beschlossen, eine eigene Lösung zu bauen.
Tanjas Pacing-Blog: Was unterscheidet „blue-ME“ von anderen Pacing-Apps? Was sind die Besonderheiten?
Line: Wir haben bei der Entwicklung großen Wert darauf gelegt, dass die Bedienung einfach ist. Die Aufzeichnung geht ganz schnell und ist auf den Benutzer zugeschnitten. So kann der Benutzer wählen, ob er nur ein paar wenige Daten oder detailliert jede Aktivität aufzeichnen will.
Paul: Aufgrund des umfangreichen Feedbacks unserer Tester haben wir noch zahlreiche Funktionen integriert, wie z.B. die Atemübungen, den Pacing-Timer, die HRV-Messung, FUNCAP-Testung und weitere. Der Kernpunkt ist aber die Trendanalyse, die dir zeigt, wie sich der Zustand entwickelt und wo Zusammenhänge zwischen Belastungen und Symptomen bestehen. Auf diese Angaben kann man dann Dank der Kalenderfunktion auch langfristig zurückgreifen. Wer möchte, kann die Daten auch anonymisiert und absolut datenschutzkonform von einer KI seiner Wahl analysieren lassen und so noch tiefere Einblicke gewinnen.
Tanjas Pacing-Blog: Wie lange hat es von der ersten Idee bis zum Launch der App gedauert?
Paul: So ganz genau kann ich das gar nicht greifen, weil wir eine ganze Weile mit der Konzeption der App beschäftigt waren. Für die reine Entwicklung geht der Aufwand aber in die tausende Stunden.
Tanjas Pacing-Blog: Hattet Ihr vorher beruflich mit IT zu tun?
Line: Vom Hauptberuf kommen wir beide aus einem ganz anderen Bereich. Paul beschäftigt sich aber seit vielen Jahren nebenberuflich mit IT. Das hat vieles erleichtert, denn so kann seine Firma pw-s development als Herausgeber der App fungieren.
Tanjas Pacing-Blog: Hattet Ihr professionelle Hilfe bei der Entwicklung?
Paul: Nein, die App haben wir komplett selbst gebaut. Während Line für die Konzeption und Funktionalität zuständig ist, habe ich die Umsetzung übernommen. Dabei kam mir zugute, dass ich schon zwei Apps aus einem ganz anderen Bereich programmiert habe.
Tanjas Pacing-Blog: Was bedeutet es für Euch, dass es jetzt endlich soweit ist und Eure App für alle Interessierten zugänglich ist? Welche Gefühle löst das neben der Freude aus?
Paul: Ganz offen gestanden war der Weg zur fertigen App ganz schön steinig und mühsam. Umso mehr freut es uns, dass wir bereits von den Beta-Testern so tolles Feedback bekommen haben.
Line: Vor blue-ME hatte ich kaum Kontakt mit Betroffenen. Nun sind viele tolle Verbindungen entstanden und ich habe traurige, aber auch hoffnungsstiftende Schicksale erfahren. Insofern erfüllt es mich, zu wissen, dass wir künftig einen kleinen Beitrag zum Management der Krankheit leisten können.
Tanjas Pacing-Blog: Vielen Dank, dass Ihr Eure bewegende Geschichte teilt. Ich wünsche Euch viel Erfolg mit Eurer App und dass der Moment in dem ihr „über den Berg“ seid schon in naher Zukunft liegt.
Weitere Informationen zur App findet Ihr hier: https://www.blue-me.de/pacing-app-symptom-tagebuch-fuer-me-cfs-post-covid-post-vac-fibromyalgie/
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