Gastbeitrag Uta: Sportallergie oder Crash?

Gastbeitrag Uta: Sportallergie oder Crash?
Bild: Uta W.

Mein Name ist Uta, ich bin 46 Jahre alt und war, bis sich meine Erkrankung so richtig bemerkbar machte, Sonderpädagogin an einer inklusiven Gesamtschule. Ich bin vermutlich seit einer EBV-Infektion 2003 an ME/CFS erkrankt, wusste aber bis 2018 nichts von dieser Krankheit. Ich hatte diffuse Symptome, für die niemand eine Erklärung hatte. Und da keine Ursache gefunden werden konnte, hielt auch ich den Schluss für zulässig, dass es vielleicht psychosomatische Auslöser sein könnten.  

Sportallergie? 

Daher machte ich im Jahr 2014 eine neunwöchige Reha in einer psychosomatischen Klinik. Vieles, was dort gemacht wurde, hat mir zum damaligen Zeitpunkt gutgetan, aber auf die sportlichen Herausforderungen reagierte mein Körper, als hätte ich eine Sportallergie. Ich war die darauffolgenden Tage immer grippig-angeschlagen und schlapp. Heute weiß ich, dass es kleine Crashs waren. Ich war damals noch in einer relativ guten allgemeinen Verfassung, arbeitete noch Vollzeit, wobei ich häufige Fehlzeiten hatte. Aber insgesamt war das Programm in der Klinik noch schaffbar für mich.  

Immer ist alles zu viel 

In den folgenden Jahren baute ich jedoch immer weiter ab: Ich reduzierte meine Arbeitszeit, schränkte meine privaten Aktivitäten ein und dennoch war immer alles zu viel. Im Dezember 2019 erhielt ich von Prof. Stark in Hamburg die Diagnose ME/CFS und den Rat, meine Energie nur für das Allernötigste zu verwenden. Meine Hausärztin unterstützte mich und schrieb mich so lange krank, bis die Krankenkasse mich aufforderte, entweder einen Reha- und oder einen Rentenantrag zu stellen. Mittlerweile war ich aber schon in so einem schlechten Zustand, dass an eine weitere Reha nicht mehr zu denken gewesen wäre. Daher stellte ich einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente, der auch bewilligt wurde. Während der Coronazeit, als alles Leben zum Stillstand kam, wurde mir erst so richtig bewusst, wie gering meine Belastbarkeit eigentlich nur noch war. Ich war bis dahin immer über meine Grenze gegangen mit der Folge, dass diese sich immer weiter abgesenkt hatte. Damals verbrachte ich den größten Teil des Tages im Liegen.  

Doch noch eine Reha? 

Seit einem Jahr nehme ich jetzt LDA (Low Dose Aripiprazol/Abilify), welches sehr gut bei mir anschlägt und mir wieder etwas Lebensqualität zurückgibt. Ich kann länger außerhalb des Bettes sein, wieder weiter als 50m am Stück laufen, mich besser konzentrieren. Da im November meine Rente ausläuft, rechne ich damit, dass die DRV mich dazu auffordert, jetzt doch noch einmal eine Reha zu machen. Grundsätzlich hätte ich sogar Lust darauf – es gäbe eine feste Tagesstruktur. Auch würden mir regelmäßige Anwendungen z.B. im Bereich Physiotherapie sicherlich guttun, und ich müsste mich nicht selber ums Kochen und Putzen kümmern. Aber es müsste eine Klinik sein, die ME/CFS kennt und entsprechend auf die Bedürfnisse der Betroffenen eingeht.  

Pacing darf kein Fremdwort sein 

In der psychosomatischen Klinik habe ich erlebt, was mit Patienten passierte, die sagten, sie könnten diese oder jene Therapie nicht mitmachen. Ihnen wurde vorgeworfen, dass sie sich der Behandlung verweigerten. Und das hat sich prompt negativ im Entlassungsbericht niedergeschlagen. Mir wäre es sehr wichtig, eine Klinik zu finden, für die es ein erklärtes Ziel ist, dass die Patienten lernen, ihre Grenzen auszuloten und auf sich Acht zu geben. Eine Klinik, für die Pacing kein Fremdwort, sondern die Maxime ist oder zumindest etwas, das respektiert wird. Deswegen habe ich auf diversen Reha-Klinik-Suchportalen nach Kliniken gesucht, die ME/CFS behandeln oder ein „Post-Covid-Siegel“ haben. Diese schrieb ich an, schilderte meine gesundheitliche Situation und meine Möglichkeiten zur Mitwirkung, wenn gewisse Bedingungen erfüllt seien.  

Finden halbwegs fitte ME/CFS-Patienten eine Reha-Klinik? 

Zunächst das Positive: Ein Großteil der Antworten, die ich erhielt, kam bereits am nächsten Tag, nachdem ich meine Anfrage gestellt hatte. Das Negative: Von 25 angeschriebenen Kliniken haben zwölf nicht geantwortet, elf sehen keine Möglichkeit, meinen Bedürfnissen gerecht zu werden, und zwei bitten um medizinische Unterlagen bzw. telefonische Rücksprache. Scheinbar gibt es keine einzige Klinik, die sich in der Lage sieht, „jemanden wie mich“, also eine mittlerweile wieder halbwegs fitte ME/CFS-Patientin, die sich mit einigen Einschränkungen auf eine durchaus anstrengende Reha einlassen würde, aufzunehmen.  

Besonders besorgniserregend finde ich dies in Hinblick auf all die Betroffenen, die zwar eine Post-Covid-Diagnose haben, jedoch noch nie von ME/CFS oder Pacing gehört haben. Auf den Webseiten vieler dieser Post-Covid-Siegel-Kliniken findet man neben Atemtherapie und Psychotherapie immer auch aktivierende Bewegungstherapie, Krafttraining, Ausdauertraining. Für jemanden, der nur ein bisschen aus der Form gekommen ist, mag das ein passendes Angebot sein; für jemanden mit einer un-diagnostizierten ME/CFS-Erkrankung kann das der Weg in die Bettlägerigkeit und in den Rollstuhl sein. 

Resigniertes Fazit 

Mein Fazit aus der Suche: An die beiden Kliniken, die meine Anfrage weiter prüfen wollen, werde ich meine Unterlagen schicken bzw. dort anrufen. Wahrscheinlich werde ich meine Recherche-Ergebnisse zusammen mit meinem Verlängerungsantrag für die Erwerbsminderungsrente an die DRV weiterleiten. Damit kann ich nachweisen, dass ich guter Absicht war, eine Reha zu machen, leider jedoch am mangelnden Angebot gescheitert bin. Auch wenn es vielleicht für die DRV nicht lohnend ist, mich in eine teure Reha zu schicken, wenn ich im Anschluss bestenfalls zu je 2h Homeoffice an 2-3 Tagen pro Woche in der Lage wäre - für mich wäre es so viel mehr, als ich mir derzeit träumen lassen kann. 

Die Hintergrundinformationen zum Beitrag findet Ihr hier:

 

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